Position des Grundschulverbands Baden-Württemberg zum Gutachten des Aktionsrats Bildung: “Bildungsleistung durch Verbindlichkeit”
Als Verband lehnen wir die Empfehlungen des Aktionsrats Bildung entschieden ab.
Sie sind aus unserer Sicht nicht zeitgemäß, nicht kindergerecht und nicht praxistauglich. Statt einer Ausweitung und einseitigen Fokussierung auf Leistungstestungen an (Grund-)Schulen fordern wir eine Bildungspolitik, die auf die ganzheitliche Entwicklung von Kindern setzt. Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf den Berliner Brief (https://offenerbriefbildungsforschung.wordpress.com), in dem 217 profilierte Bildungsexpert*innen klare Kritik an der Testorientierung formuliert haben. Gerade in Bundesländern wie dem unseren (Baden-Württemberg), in denen bereits jetzt zahlreiche Tests in der Grundschule stattfinden (Lernstand 2, VERA 3, Kompass 4), zeigen sich die Folgen dieser Entwicklung besonders deutlich: Lehrkräfte und Lernende sind überfordert – und zu Recht empört über eine Sichtweise, die Bildung auf messbare Outputs reduziert. Die Umfrage unseres Partnerverbands GEW (https://www.gew-bw.de/aktuelles/detailseite/kompass-4-ist-gescheitert) hat dies kürzlich eindrucksvoll bestätigt.
Was unsere Grundschulen brauchen, ist keine technokratische Mess- und Vergleichsideologie.
Wir lehnen sowohl eine Reduktion auf sogenannte „Basiskompetenzen“ als auch eine nationale Testvergleichskultur ab, die Schulen unter externen Leistungsdruck setzt. Stattdessen fordern wir Konzepte für qualitativ hochwertigen Unterricht und für eine allseitige Bildung, die Kinder – neben der Entwicklung des Fachwissens – in ihrer Persönlichkeit stärkt und demokratische Teilhabe ermöglicht. Denn unsere Gesellschaft braucht junge Menschen, die mehr können, als nur fehlerfrei zu rechnen oder zu schreiben.
Grundschulen sind in unserem Bildungsverständnis nicht bloß Zubringer für die Sekundarstufe, und sie dürfen auch nicht zum Trainingslager für PISA und Co. verkommen („training-to-the-test“). Standardisierte Tests können immer nur einen kleinen Ausschnitt schulischer Lernprozesse erfassen – meist lediglich prozedurales Wissen. Dabei zielt der deutsche Unterricht explizit und traditionell auf tiefes, konzeptuelles Verstehen, das durch quantitative Verfahren kaum abgebildet werden kann.
Wir brauchen keine weiteren Tests, sondern weniger Tests dafür mehr Unterrichtszeit und Vertrauen in unsere Lehrkräfte.
Denn, um es mit den Worten von Hans Brügelmann zu sagen: „Durch permanentes Wiegen wird die Sau auch nicht fetter“ (vgl. Brügelmann, H. (2015). Vermessene Schulen – standardisierte Schüler. Beltz). Was wir brauchen, sind Bildungsräume, in denen Kinder vertrauensvoll und beziehungsbasiert lernen dürfen – und keine klinisch anmutenden Testumgebungen, in denen Bildung auf Ziffern reduziert wird. Auch sollten wir unseren Lehrkräften wieder mehr Vertrauen entgegenbringen, denn sie geben tagein tagaus ihr Bestes und werden auch exzellent ausgebildet. Vergleichsdruck und -zwang sind gerade in dieser Hinsicht nicht der richtige Weg, im Gegenteil: Es verschärft die Konkurrenzsituation zwischen Schulen und innerhalb der Kollegien, dabei sind Schulen viel zu komplexe Mikrosphären. Deren Vergleich ergibt weder soziologisch noch pädagogisch einen Sinn.
September 2025
