Durchführung des Anhörungsverfahrens
Die Landesgruppe des Grundschulverbands Baden-Württemberg nimmt wie folgt Stellung:
Wir begrüßen die Absicht, qualitätsvolle Ganztagsangebote für alle Kinder im grundschulpflichtigen Alter einzurichten, unabhängig davon, ob diese eine Grundschule oder eine Sondereinrichtung besuchen.
Wir begrüßen die Zielsetzung der Änderung des Schulgesetzes für Baden-Württemberg im Bereich des angezielten Sprachförderkonzepts und den Einsatz der dazu notwendigen finanziellen Aufwendungen grundsätzlich.
Wir bedauern, dass die Möglichkeit zu einer Neuorientierung im Bereich der Sekundarstufenschulen nicht grundsätzlich angegangen wird. Die Chance einer grundlegenden Neugestaltung wird damit leichtfertig vergeben.
Die Änderungen zum „passgenauen Anschluss“ aus den Grundschulen hin zu den auf sie aufbauende Schularten lehnen wir ab. Kein Verfahren, wie auch immer dieses gestaltet sein wird, wird eine verlässliche Prognose ermöglichen. In der Folge wird die Chancengerechtigkeit mit solchen Verfahren auch weiterhin auf der Strecke bleiben.
Die Wirksamkeit der Änderung wird sich letztendlich vor allem auch in den durch das Kultusministerium zu bestimmenden jeweiligen Verfahren sowie der Umsetzungsmöglichkeiten vor Ort zeigen. Darum sind die Verfahren so zu gestalten, dass diese der Einrichtung vor Ort ermöglichen, die jeweiligen Bedingungen vor Ort in die Umsetzung mit einzubeziehen. Des weiteren ist es dringend notwendig, die personellen und sächlichen Ressourcen so zu schaffen, dass die Maßnahmen auch von dieser Seite her sinnvoll und ausreichend unterfüttert werden. Gefordert sind also: Flexibilität in den Verordnungen und Sicherstellung von guter personellen und sächlichen Unterfütterung.
Anmerkungen im Detail:
Artikel 1 § 5 (3) fordert für die Kooperationskräfte der Grundschulen eine qualifizierte Einschätzung des Entwicklungsstands der Kinder in den Kindertageseinrichtungen. Die aktuell dazu vorhandenen Ressourcen reichen an größeren Schulen, die Kinder aus bis zu 30 solchen Einrichtungen aufnehmen, bei weitem nicht aus und müssen dringend ausgebaut werden.
Damit die Lehrkräfte der Grundschulen zu solch qualifizierter Einschätzung befähigt sind, müssen diese dazu qualifiziert werden.
Artikel 1 § 5b ermöglicht die Einrichtung von Juniorklassen zur Förderung der Sprachentwicklung entsprechender Kinder.
Die angezielte Sprachförderung wird nur dann wirksam sein, wenn sie intensiv verwoben mit der entsprechenden Begriffsbildung wird und die Entwicklung der weiteren Vorläuferfähigkeiten einschließt. Wie werden die entsprechend befähigten Personen auf diese Arbeit gezielt vorbereitet? Gibt es Erfahrungen im Lande, auf die ggfs. zurückgegriffen werden kann?
Die Priorisierung sprachlicher Kompetenzen als wesentliche Vorläuferfähigkeit der frühkindlichen Bildung ist zu hinterfragen. Andere Vorläuferfähigkeiten werden zwar benannt, jedoch nicht näher spezifiziert und schon gar nicht in ihrer Bedeutung gewürdigt.
Genau in diesem Bereich waren die Grundschulförderklassen, die mit Einrichtung der Juniorklassen abgeschafft werden, ausgesprochen erfolgreich. Wie wird dieser Aspekt in den Juniorklassen berücksichtigt?
Das neue Modell ist für Schulleitungen und Kooperationskräfte – sofern es wirksam durchgeführt wird – mit erheblichem Mehraufwand verbunden. Dies muss im Arbeitszeitmodell berücksichtigt werden
Wir kommen zu folgendem Schluss:
Seit dem PISA-Schock 2001 versucht die jeweilige Kultusadministration, durch Maßnahmen der Bildungsmisere zu begegnen. Alle Ergebnisse der seither vorliegenden Schulleistungsstudien zeigen, dass sich – trotz dieser Bemühungen – keine entscheidenden positiven Entwicklungen ergeben haben. Eher ist eine Verschlechterung zu verzeichnen. Auch in der aktuellen Änderung des Schulgesetzes wird weiter am bestehenden Schulsystem festgehalten:
Die Grundschule wird als Vorbereitungsschule vor allem für das Gymnasium verstanden.
Das Gesetz macht Ernst, indem es den Anfang und Bildungsvoraussetzung der Schülerinnen und Schüler stärken will. Die – hoffentlich gelingende und erfolgreiche – Etablierung der Sprachförderung in Kindertageseinrichtungen und Grundschulen wird die Misere unseres Schulsystems jedoch nicht grundsätzlich lösen. Hier sind strukturelle Eingriffe ins Schulsystem notwendig, die ausbleiben – selbst im dringend reformbedürftigen Bereich der Sekundarstufenschulen.
Kontraproduktiv zum von der UNBRK gedachten Inklusion, ist im Konzept der Juniorklassen Exklusion explizit vorgesehen.
Für den Ausbau der Ganztagsschulen im Bereich der Grundschulen existiert zwar ein Qualitätsrahmen, allerdings ist nicht ersichtlich, wie die zur Umsetzung notwendigen sächlichen, räumlichen und personellen Ressourcen geschaffen werden sollen.
Freiburg, den 8. September 2024
