Gemeinsame Pressemitteilung von Grundschulverband BW, Landesverband Schulpsychologie BW und Verein für Gemeinschaftsschulen BW e.V.
Stuttgart, 25. Juni 2025
PRESSEMITTEILUNG
Wenn sie es nur ehrlich meinten
Wo Wahlkampf in der Luft liegt, sind Beteuerungen, Versprechen und knackige Parolen nicht weit. Auf Stimmenfang scheint Politiker:innen fast jede Aussage recht. Was nach Schließen der Wahllokale passiert, steht auf einem anderen Blatt. Doch es wird Zeit, diesen Mechanismus zu beenden. Für die Kinder und Jugendlichen im Land steht zu viel auf dem Spiel: Sie brauchen eine Landesregierung, die ihre psychische und mentale Gesundheit ernst nimmt und alles daransetzt, dass sie balanciert und gut vorbereitet in eine ungewisse Zukunft gehen.
Als Thema vernachlässigt und bestenfalls bei der nächsten verheerenden Studie auf der Agenda: Die psychosoziale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ist ein Thema, das Betroffene verzweifeln und die Politik doch kalt lässt.
Die Diskrepanz zwischen der öffentlichen Zurschaustellung von Betroffenheit und konkreten Schritte zur Verbesserung der Situation könnte kaum größer sein. Es ist hinlänglich bekannt, wie schlecht die medizinische Versorgung im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin ist. Das betrifft insbesondere die psychologische und therapeutische Begleitung von jungen Menschen. Es wächst eine Generation heran, für die die Krise das neue Normal ist. Zur Illustration empfehlen wir die Forschung und Publikationen von Prof. Aladin El-Mafaalani und Prof. Sebastian Kurtenbach.
Als Bildungsoptimist:innen schauen wir genauer auf das System Schule. Dort könnten die richtigen Schritte und Vorgehensweisen wesentlich dazu beitragen, Kinder und Jugendliche im Gleichgewicht zu halten und die Zahl derjenigen, die die Balance verlieren, signifikant zu reduzieren.
Bis zu einem Viertel der Lernenden haben psychische oder sonstige therapiebedürftige Probleme, mit denen die pädagogischen Profis an der Schule in der Regel überfordert sind. Der Bedarf für psychotherapeutische, medizinische und sonstige Begleitung hat nach der Pandemie und angesichts der beängstigenden Umbrüche in der Welt massiv zugenommen und ist an unseren Schulen heute ein Massenphänomen.
Es gibt offenkundige Themen wie eine neue Prüfungskultur, eine Entschlackung des Bildungsplans und eine faire Versorgung von Schulen mit pädagogischen Profis gemäß ihres Aufgabenportfolios und der Schüler:innen-Zusammensetzung. Die notwendigen Schritte sind bekannt, die überfälligen Maßnahmen lassen immer noch auf sich warten.
Um die Situation der jungen Menschen in unserem Land zeitnah und effektiv zu verbessern, fordern wir folgende konkrete Schritte:
Ausstattung aller Schulen, insbesondere von Schulen mit besonders belasteter Schüler:innenschaft wie den Gemeinschaftsschulen, mit Schulsozialarbeit in einer Relation von 1:100 Lernenden.
Direkte Hilfe im täglichen Umfeld durch Verortung von schulpsychologischen bzw. psychotherapeutischen Profis an allen Schulen, insbesondere von Schulen mit besonders belasteter Schüler:innenschaft wie den Gemeinschaftsschulen, in einer Relation von 1:300 Lernenden.
Flächendeckende Versorgung aller Schulen mit Beratungslehrkräften, insbesondere von Schulen mit besonders belasteter Schüler:innenschaft wie den inklusiv und integrierend arbeitenden Schularten Grundschule oder Gemeinschaftsschule, mit einer Ressourcenzuweisung von vier Deputats-Stunden pro 500 Lernenden.
Etablieren echter multiprofessioneller Teams auf Augenhöhe zu den Lehrkräften an Schulen und Berücksichtigung folgender Professionen: Schulpsychologie, Schulsozialarbeit, Sozialpädagog:innen, Schulbegleitung, Unterrichtsbegleitung (z.B. Studierende), Beratungslehrkräfte, Schulkrankenpflege, musisch-künstlerische Fachkräfte wie Schauspieler:innen, Musiker:innen, Künstler:innen, Handwerker:innen und ggf. örtlich spezifischer Fachkräfte.
Versorgung alle Schulen – und nicht nur der Gymnasien – mit einer Lehrkräfteversorgung von 110 Prozent, dabei Berücksichtigung insbesondere der Gemeinschaftsschule als einzige ausgewiesen gymnasiales Lernen anbietende Schulart der Sekundarstufe im allgemeinbildenden Bereich in BW.
Es liegt in der Hand der Politik, dafür zu sorgen, dass die jungen Menschen im Land zuversichtlich und ohne Angst in die Zukunft blicken. Dafür müssen wir aufhören, über die Jugend zu klagen, sondern Kindern und Jugendlichen zuhören, sie ernst nehmen und uns glaubwürdig mit ihren Problemen beschäftigen. Statt Feigenblätter der Jugendpartizipation brauchen wir flächendeckende Systeme, die jungen Leuten helfen, mit den Belastungsfaktoren ihres realen Lebens umzugehen.
Die oben genannten Maßnahmen können wesentlich zu einer Stärkung der Betroffenen beitragen und die diesbezügliche Belastung von pädagogischen Profis an unseren Schulen mildern. Gleichzeitig tragen die geforderten Schritte zu einem klugen und reifen Umgang mit den zunehmenden psychischen Belastungen in unserer Gesellschaft bei.
Wir können uns die Beteiligten in einer Gesellschaft nicht aussuchen, sondern sind gemeinsam aufgefordert, jeder und jedem die notwendige Kraft zu geben, einen individuellen Beitrag zu unserem Gemeinwohl zu leisten. Nur wenn die Menschen ihr Leben ertragen können, können sie die Zukunft unseres Landes aktiv in die Hand nehmen!
